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Römisches Recht in Köln

Der Kölner Lehrstuhl steht in der ältesten Tradition der Lehre des römischen Rechts innerhalb Deutschlands. Mit der Gründung der Universität 1388 wurde sofort mit der Lehre des Kaiserrechts, also des rezipierten römischen Rechts begonnen. Die Entschiedenheit, mit der in Köln von Anfang an das römische Recht betrieben und betont wurde, war unter den deutschen Universitäten der Zeit einzigartig. Während man sich an der um zwei Jahre älteren Universität Heidelberg zunächst im wesentlichen auf die Lehre des kanonischen Rechts beschränkt hatte, wurde der besondere Wert, den man in Köln auf die Legistik legte, schon bei Lehrbeginn 1389 durch die Besetzung des Lehrkörpers deutlich: nur 4 Kanonisten standen 5 Legisten und 2 Doctores utriusque iuris gegenüber. Eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Universitätslandschaft war dementsprechend auch die Zweiteilung der Kölner Juristenfakultät, die schon auf dem Siegel von 1398 als Doppelfakultät (facultates utriusque iuris studii) bezeichnet wird. In Köln bestand damit die Möglichkeit, römisches Recht als eigenständigen Studiengang zu belegen und mit einem speziellen akademischen Grad abzuschließen. Von Anfang an setzten sich der von 1389 bis 1410 lehrende Hermann Stakelwegge, Stiftspropst von St. Gereon, sowie Johann von Neuenstein, der 1392 berufen wurde, für die Pflege des römischen Rechts ein.

Durch ihre Ausrichtung auf das Kaiserrecht erwarb sich die Kölner Universität schon im Hochmittelalter großes Ansehen. Ihre Blütezeit erlebte die alte Universität jedoch im 15. und 16. Jahrhundert. In dieser Zeit waren die Kölner Professoren des römischen Rechts häufig einflußreiche Persönlichkeiten im politischen Leben der Stadt und weit über deren Grenzen hinaus gesuchte Gutachter, vornehmlich in Streitfragen weltlicher Natur. Deutlich wird dies in der Gutachtertätigkeit der Kölner Juristen sichtbar, deren Schwerpunkt im römischen Recht lag. Auch der Umfang der von Kölner Professoren veröffentlichten Werke zum römischen Recht überschritt den der Publikationen von Juristen anderer Universitäten. Insbesondere die im 15. Jahrhundert verbreitete Einführungsliteratur, meist in Form von Kommentaren zu den Institutionen, stammt größtenteils aus der Feder Kölner Juristen. Neben dem Institutionenkommentar des Henricus Brunonis de Piro (Heinrich vom Birnboeme, † 1473) von etwa 1428 sind vor allem die Werke von Loppo von Zierikzee († 1479), Nicasius de Voerda († 1492) und Hermannus Sifridus Sinnema zu nennen. 

J. Olpendorp

Im 16. Jahrhundert stand der Doctor der Leges Jacobus Sobbius (Sobbe, † 1528) als Universitätsberater in den Diensten der Stadt, ihm folgte der auch auf dem Gebiet des römischen Rechts tätige Johannes Matthias Frissemius († 1533). Zu den herausragenden Lehrern des römischen Rechts dieser Zeit zählt der Humanist Johannes Oldendorp (um 1488-1567). Ihn rief 1538 der Kölner Rat an die Universität, "ut gentium leges Romanas interpretaretur et simul in causis rei publicae patrocinium praestaret". In der Zeit seiner Lehrtätigkeit in Köln (bis 1543) veröffentlichte er zahlreiche Schriften zum römischen Recht, u.a. einen der ersten Rekonstruktionsversuche des Zwölftafelgesetzes (1539). Zudem tat er sich durch seine Bemühungen hervor, eine allgemeine Juristenausbildung auf systematischer Grundlage zu etablieren.

D. Gothofredus

Der Rang, den Köln zu dieser Zeit auf dem Gebiet des römischen Rechts im Kreis der Universitäten einnahm, zeigt sich nicht zuletzt daran, daß berühmte Juristen ihre Ausbildung (zumindest teilweise) in Köln absolvierten. Zu erwähnen ist hier vor allem der Zivilist Denis Godefroy (Dionysius Gothofredus, 1549-1622), der 1583 die erste Gesamtausgabe des Corpus Iuris Civilis cum notis herausgab. Das Studium des römischen Rechts in Köln scheint eine gewisse Anziehungskraft besessen zu haben, denn „dweil die studiosi in iure sich vilfeltig in universitate meren“ wurde 1559 eine zweite Institutionenvorlesung eingeführt. Die Attraktivität des römischen Rechts in Köln zu dieser Zeit mag darin begründet sein, daß man sich auch hier im Lehrangebot allmählich den modernen Entwicklungen öffnete. Der Stoff wurde zunehmend systematisch gegliedert und dargestellt.

A. Gail

Als ein sich im Übergang zwischen Legalordnung und Systematik befindliches Werk sind die Rationalia ad quatuor Institutionum imperalium libros Peter Ostermanns zu erwähnen, der nach seiner Berufung 1626 nur wenige Jahre als Ordinarius las, bevor er in die Praxis wechselte. Zu nennen ist ferner der Praktiker Andreas Gail (1526-87), der mit seinen zuerst 1578 erschienenen Practicae observationes tam ad processum iudicarium praesertim imperialis camerae die Kammergerichts-Jurisprudenz begründete. Dieses forensisch kasuistische Werk hatte außerordentlichen Erfolg und wurde mehrfach übersetzt und neu aufgelegt. Man nannte Gail mit Bezug auf den großen Spätklassiker den „deutschen Papinian“.

F. C. von Savigny (Kölner Relief)

Nachdem die alte Universität 1794 von den Franzosen aufgehoben worden war, traten im 19. Jahrhundert wiederholt namhafte Persönlichkeiten für ihre Wiedererrichtung ein. In diesem Sinne erklärte Friedrich Carl von Savigny, der Begründer der Historischen Rechtsschule und seit 1818 Mitglied des Revisions- und Kassationshofs für die Preußische Rheinprovinz: „Hier also ist ein lebendiger Boden, von welchem die Universität, wenn sie darauf gegründet wird, selbst Leben empfangen muß. Eine so würdige Umgebung muß Lehrern und Studierenden, wenn sie nicht ganz ohne Empfänglichkeit sind, eine rechte Stimmung geben und sie auf die gründliche Erforschung unsrer Vorzeit führen, die dort aus tausend Stimmen und Bildern zu ihnen spricht.“

Zur Wiedererrichtung der Universität kam es erst 1919. Die Rechtswissenschaftliche Fakultät wurde am 09.01.1920 mit zunächst fünf ordentlichen Professorenstellen eröffnet. Die neu eingerichtete Fakultät diente nun dem besonderen Ziel, den Unterricht in den Dienst der wirtschaftswissenschaftlichen Probleme zu stellen, ohne dabei allerdings die historischen und rechtsphilosophischen Studien zu vernachlässigen. 

A. von Tuhr

Das römische Recht wurde durch Andreas von Tuhr (Römisches und Bürgerliches Recht) und Heinrich Lehmann (Römisches und Bürgerliches Recht, Handelsrecht und Zivilprozeß) vertreten. Heinrich Lehmann war 1921/22 Rektor der Universität sowie 1920/21 und 1928/29 Dekan der Fakultät. Noch 1920 folgte von Tuhr einem Ruf an die Universität Zürich; seine Stelle wurde von dem Papyrologen Hans Lewald (Römisches und Bürgerliches Recht) besetzt. Auch dieser verließ Köln bald und folgte 1923 einem Ruf nach Frankfurt. Nun wurde Franz Haymann aus Rostock berufen, der in Köln die Fächer Römisches Recht, Deutsches Bürgerliches Recht und Rechtsphilosophie vertrat. Schon 1924/25 war Haymann Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät. Die Gesichtspunkte, die die Fakultät zur Berufung Haymanns bewogen, verdeutlichen, daß man keineswegs mehrheitlich den Standpunkt Lehmanns vertrat, der seit Beginn seiner Tätigkeit in Köln für eine Beschränkung der Juristenausbildung im Bereich des Römischen Rechts eingetreten war. Die Berufung Haymanns wurde ausdrücklich damit begründet, daß ein durch eigene romanistische Arbeiten und Kenntnisse der Papyrologie und Interpolationenforschung ausgewiesener Wissenschaftler benötigt werde, da Lehmann wegen seiner zahlreichen anderweitigen Interessen und Lehrverpflichtungen das Römische Recht allein nicht angemessen vertreten könne.

In den 20er Jahren wurden regelmäßig folgende römischrechtliche Veranstaltungen angeboten: Römische Rechtsgeschichte (4 Std.), System des römischen Privatrechts (6 Std.), Einführung in die juristische Papyruskunde (2 Std.), Romanistisches Seminar (2 Std.), Pandektenexegese (2 Std.) sowie Lateinkurse, die anhand des Corpus Iuris Civilis in die römische Rechtssprache einführten (I - III, jeweils dreistündig). Nach der Reform des Lehrplans 1935 wurden noch 5 Stunden Römische Rechtsgeschichte pro Semester gelesen.

Im September 1935 wurde Franz Haymann seiner jüdischen Abstammung wegen ein Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft: Er wurde vorzeitig in den Ruhestand versetzt. 1938 emigrierte Haymann nach England, wo er 1947 in Oxford starb. Erst 1940 wurde sein Lehrstuhl mit Rudolf Schmidt (zuvor ordentlicher Professor für Römisches und Bürgerliches Recht in Halle) wieder besetzt, der bis zu seiner Emeritierung 1954 in Köln blieb. Im Herbst 1944 wurde der Vorlesungsbetrieb an der Juristischen Fakultät praktisch eingestellt, aber schon im Wintersemester 1945/46 wieder aufgenommen.

Im Jahre 1958 gelang es dem in diesem Jahr auf den Kölner Lehrstuhl für Römisches und Bürgerliches Recht berufenen Romanisten und Papyrologen Erwin Seidl, das Institut für Römisches Recht zu begründen, das er bis zu seiner Emeritierung 1971 als geschäftsführender Direktor leitete. Ihm folgte von 1973 bis 2001 Andreas Wacke. Daneben wurde das Fach von 1962 bis 1966 von Theo Mayer-Maly und von 1963 bis 1985 von Heinz Hübner als Mitdirektoren des Instituts vertreten. Weitere Vertreter des römischen Rechts an der Fakultät sind die gegenwärtigen Emeriti Jens Peter Meincke, Klaus Luig und Norbert Horn. 

Seit 2003 wird das Institut von Martin Avenarius geleitet. Die Bibliothek enthält etwa 25.000 Bände. Den Hauptbestand bildet die Literatur zum römischen Recht der Antike sowie zu dessen Fortwirkung in der Privatrechtsgeschichte. Die Bibliothek verfügt über viele in- und ausländische Periodika. Ein besonderes Profil gewinnt die Bibliothek gegenwärtig durch ihre Bestände an romanistischer Literatur in slavischen Sprachen. In diesem Zusammenhang entsteht eine Sondersammlung an Schrifttum zum römischen Recht in Osteuropa, insbesondere in Russland.